von | 14. Juli 2022 | Allgemein

 

Ich bin letztens in eine Situation reingeraten wie aus einem Panikattacken-Handbuch.

Lass mich dir schnell die Eckpunkte erzählen…

Ich war bei einer Freundin eingeladen gewesen, gemeinsam zu einem Konzert zu gehen. Obwohl ich eine lange Rückreise hinter mir hatte, sagte ich zu.

Bei Ankunft waren dann noch überraschend 5 weitere Personen anwesend, die ebenfalls mitwollten, von denen ich nur eine Person schon kannte. Nach einem kurzen Sit-in wurden Fahrgemeinschaften gebildet und ich wurde dann einem Auto zugeteilt….

 

Eigentlich nichts Besonderes und kein Grund, Panik zu bekommen, oder?

Und dennoch:

FRÜHER hätte sich hieraus eine Panikattacke entwickelt, ganz sicher.

 

Um das Bild zu vervollständigen, möchte ich noch hinzufügen, dass drumherum alles gut war: also die Stimmung, die Menschen, es wurde erzählt und gelacht, alle waren freundlich, offen und entspannt und freuten sich auf den Abend.

 

ABER ICH FÜHLTE MICH WIE IN EINER FALLE!

 

 

Hilfe! Ein Rückfall in die Angststörung?

 

Es ist so komplex und verwoben und ich versuch mal die einzelnen Fäden zu entwirren und vor dich hinzulegen, damit du verstehst.

Erstmal noch ein paar bewertungsfreie Fakten:

 

  1. Ich hatte die Freundin seit über 2,5 Jahren nicht gesehen, da ich im Ausland unterwegs war. Es war unser erstes Wiedersehen seit langer Zeit.

 

  1. Ich wusste nicht, dass wir eine Gruppe sein würden („Gruppenzwang“ entsteht somit automatisch) Ich hatte einen Abend zu zweit erwartet (es braucht spontane Flexibilität, um mit plötzlichen Veränderungen umgehen zu können > enttäuschte Erwartungen)

 

  1. Der Tag war mit 35 Grad super-heiß gewesen, ich saß stundenlang hinterm Steuer im noch mehr aufgeheizten Auto und fühlte mich matschig, schlapp und lustlos. Ich hatte nur zugesagt, weil meine Freundin dort so gerne hinwollte

 

  1. Ich kannte die Band nicht und wusste daher auch nicht, was für eine Art von Musik da auf mich einströmen würde

 

  1. Ich wusste nur, dass das Konzert oben auf einem Gipfel inmitten von Weinbergen stattfinden würde, hatte aber keine Ahnung, was mich da sonst noch erwarten würde… Gäbe es Sitzmöglichkeiten? Und was zu essen? Müsste ich die ganze Zeit stehen? Würde es voll werden und Gedränge geben? Es würde also eine Fahrt ins Blaue werden.

 

So, das waren jetzt mal die äußeren Umstände der Situation

 

Und jetzt gehe ich mal an die inneren… an Gedanken und Empfindungen, die zum Teil ja so schnell abgelaufen sind, dass ich vieles in dem Moment gar nicht so schnell wahrnehmen konnte.

Ich habe halt nur gemerkt, dass der innere Druck und die Beklemmung immer mehr zunahm und mir tatsächlich die Idee (!) einer Panikattacke in den Kopf kam – obwohl ich seit mehr als 8 Jahren keine wirkliche/echte mehr hatte.

 

 

Auf dem Weg zu den Autos, als wir dann losfahren wollten, dann ein großer panik-befeuernder Gedanke, der mich echt schlucken ließ: Wenn du jetzt hier einsteigst, MUSST du es bis zum Ende AUSHALTEN.

 

Und da war er: DER MOMENT!

Das war der Moment, wo die Lunte für die Angst hätte gezündet werden können!

 

 

Früher wäre hier ein Aufruhr der Gefühle mit körperlichen Empfindungen gestartet wie heiß oder kalt werden, Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, zittrig-weiche Knie, schwummriger Kopf, vielleicht noch Schwindel, Pulsrasen, Herzklopfen bis zum Hals und Schweißausbrüche.

 

 

Und im Kopf ginge ein Gedanken-Stakkato wie ein gnadenloses Maschinengewehr:

  • Was, wenn es dir dort nicht gefällt und du weg möchtest?
  • Die Musik zu laut und unerträglich, die Menschenmenge zu groß, das Gedränge unangenehm ODER es einfach nur sterbenslangweilig ist?
  • Du kannst nicht selbst einfach weg!
  • Du hast kein Auto da oben!
  • Eigentlich will ich da gar nicht hin! Ich bin müde und geschafft!
  • Du kennst die Menschen auch nicht und kannst nicht einfach fragen, ob sie dich wieder runterbringen!
  • Du weißt ja noch nicht mal, wo du eigentlich bist!
  •  
  • Da hängen noch andere Leute mit drin
  • Die kannst du doch alle nicht enttäuschen!
  • Alle haben sich auf den Abend gefreut!
  • Du wärst dann der Spielverderber, die Spaßbremse, brauchst wieder ne Extra-Wurst!
  • Alle würden dich dann doof finden – wie immer!!!
  • Also musst du still sein, stillhalten, darfst nichts sagen!
  • Alle werden dich sonst ABLEHNEN!
  •  
  • Was, wenn dir schlecht wird da oben?
  • Du könntest kollabieren und du bist da im Nichts – Hilfe wird dauern!
  • Dir ist sowieso schon den ganzen Tag heiß!
  • Und dann wirst du allen den Spaß verderben und du hättest ihnen den Abend ruiniert!
  • Und alle sehen dich, wie du am Boden liegst!!
  • ……

 

Das Ganze läuft natürlich sekundenschnell und chaotisch ab und nicht in einer langsamen Ausführlichkeit wie die obige Aufzählung, die du achtsam mitverfolgen und somit gleich enttarnen könntest!

 

 

Solche Gedanken sind wie Sauerstoff und lassen die Lunte noch schneller brennen und dann irgendwann wäre es zum Boom! gekommen.

Tada… und die Panik wäre da! Hilf- und kopflos hätte ich dagestanden, totaler Kontrollverlust und keinen klaren Gedanken, nur noch ein 100 % reines Gefühl der Angst.

 

 

Muss es immer soweit kommen?

 

Ich wollte das mal in aller Präzision beschreiben, wie es an diesem schönen Sommerabend zu Angst und Panik hätte kommen können, beginnend mit EINEM EINZIGEN GEDANKEN!

Diese Situation war dafür ein Muster- und Paradebeispiel, für das ich heute sehr dankbar bin, bietet sie mir doch die Möglichkeit, die einzelnen Abläufe mal genau zu analysieren.

 

 

Der Gedanke: WENN DU JETZT HIER EINSTEIGST, MUSST DU ES BIS ZUM ENDE AUSHALTEN war der Start…

 

Was sagt dir dieser Gedanke noch?

 

Du musst es aushalten,

  • Auch wenn dir das Konzert nicht gefällt
  • Auch wenn du eigentlich keine Lust mehr hast
  • Auch wenn du plötzlich lieber etwas anderes machen möchtest
  • Auch wenn es dir schlecht geht
  • Auch wenn alle anderen die ganze Nacht durchmachen wollen und du lieber nach Hause möchtest
  • Also: Du bist (aus-)geliefert

D.h. dieser Gedanke gibt dir das Gefühl, du hättest KEINE ANDERE WAHL!

 

Und DAS ist eine freche LÜGE!

 

Simone Wolf Freebie Mutmacher Titelbild

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Ja, dieser Gedanke ist eine Lüge, denn du hast IMMER DIE WAHL!

IMMER, IMMER, IMMER!

 

Das ist wichtig zu merken! Natürlich wird das einen Preis haben. Das ist auch wichtig zu wissen.

 

 

Ich hätte mich nach diesem Gedanken dazu entscheiden können, wieder aus dem Auto auszusteigen und zu sagen, dass ich es mir anders überlegt hätte.

Klar, hätte das „Konsequenzen“, z.B. mit der Freundin, ABER ich hatte definitiv diese Wahl!

 

 

Die Gedanken sind das eigentliche Schlachtfeld und verdienen besondere Aufmerksamkeit, wenn du beginnen willst, deine Angst- und Panikstörung loszuwerden

 

Also nach dieser allerersten LÜGE, dass ich es solange aushalten müsse, bis alle anderen genug hätten, folgten ja noch weitere.

Die Möglichkeit, wieder aus dem Auto auszusteigen, kam mir natürlich auch in den Sinn, aber dann würde ich mich dämlich fühlen und unzuverlässig, als Spielverderber und treulose Tomate, als Lusche, Looser etc., weil ich doch schon zugesagt hatte.

Auch hatte ich die Vorstellung, mein Ansehen bei den anderen zu verlieren: „Wie stünde ich denn dann da?“

Die Schuldgefühle standen ebenfalls schon bereit und die Scham, versagt oder jemanden enttäuscht zu haben, winkte auch schon. „Huhu! Hier sind wir! Wir kommen gleich zu dir!“ 😉

 

 

Die Entscheidung zur Selbstfürsorge

Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse – von Haus aus typbedingt als auch in verschiedensten Situationen und Umständen. Es wird auf jeden Fall tricky, wenn mehrere Menschen zusammenkommen, denn jeder möchte oder braucht gerade was anderes.

 

Meine Freundin wollte nach einem langen, doofen Tag im kalten Büro gerne die Abendsonne genießen UND ein Wiedersehen mit mir feiern.

Ich hätte mich lieber in ihr kühles Haus zurückgezogen, nachdem ich stundenlang im heißen Auto gesessen habe UND dabei mit ihr ein Wiedersehen gefeiert.

 

 

Die Anwesenheit der anderen führte dann auch zu einer Gruppendynamik, der ich mich schlecht entziehen konnte. Alle wollten auf den Berg und das Konzert hören und die Energie und die Vorfreude flossen da hin.

Außerdem hatte meine Freundin – (wie unangenehm!) – mich in den höchsten Tönen als coole Socke gepriesen, weil ich die letzten Jahre im Wohnmobil herumreisend in Großbritannien, Spanien und Portugal verbracht hatte. Es war also eine gewisse Erwartungshaltung der anderen, dass ich in irgendeiner Weise positiv zum Gelingen des Abends beitragen würde.

 

Wie peinlich und völlig UNCOOL, wenn ich mich jetzt als Jammerlappen, Nörgler oder Querulant herausstellen sollte. Der Druck, diesem Bild zu entsprechen, kam also auch noch mit dazu.

 

 

Also nun neue Panikattacke oder nicht?

Ich will dir nun aber erzählen, wie ich mit diesem ANGRIFF DER GEDANKEN und mit der inneren Scham- und Schuldanklage umgegangen bin, sodass ich KEINE PANIKATTACKE UND AUCH KEINE ANGST bekam:

 

Ich habe mein Portemonnaie und mein Telefon gecheckt…. Das war erstmal alles. Das war der „Notausgang“, den jeder, der Panikattacken kennt, immer irgendwie braucht 😉

 

Na ja, nicht ganz alles! Ich habe meinen Rücken gestreckt, meine Schultern nach hinten gezogen, die Brust rausgedrückt und den Kopf gehoben – mich G R O S S gemacht.

Ich habe die kleine Simone, die enttäuscht war, dass der Abend nicht so laufen wird, wie sie es gebraucht und es sich gewünscht hätte, auf den Arm genommen und ihr innerlich gut zugeredet.

Und ihr ausgeredet, dass sie sich nicht zu schämen braucht, wenn sie das Konzert heute – total uncool – nicht packt. Ihr klar gemacht, dass wir NICHT in der Falle sitzen und keine „Fluchtmöglichkeit“ hätten, sondern dass wir gehen KÖNNTEN.

Dass wir erstmal schauen werden, ob es uns nicht vielleicht doch gefällt und wir Spaß haben können und wenn nicht, ihr zu versprechen, dass wir uns zurückziehen und wieder nach Hause gehen.

 

Kurz: Die Lösung für mich war, mir selbst klarzumachen, dass ich

  • SEHR WOHL FRÜHER GEHEN KANN, wenn ich nicht mehr mag.

 

  • DIE FREIHEIT habe zu gehen, wenn ich müde bin oder was anderes möchte.

 

  • DIE WAHL habe und ich mich JETZT ERSTMAL für das Konzert entscheide und wenn mir das NICHT GUT TUT, werde ich mich neu entscheiden – nämlich für ein Taxi! 😊

 

Ich habe das zuerst gefühlte Ausgeliefertsein und die darauffolgende Hilflosigkeit (ja fast Ohnmacht = OHNE MACHT) gegen eine Selbstermächtigung getauscht.

Und mir selbst die ERLAUBNIS gegeben, das zu tun, was MIR guttut und in dem Moment nicht den anderen. Auch auf die Gefahr hin, den „Preis“ dafür zahlen zu müssen und die Konsequenzen aus meinem Handeln zu tragen.

 

Ich weiß nicht, wie es in deinem Leben ausschaut, ob du vielleicht auch glaubst, du hättest hier oder da keine andere Wahl und du MÜSSTEST dies oder jenes tun, weil es „eben so ist“.

Ich weiß nicht, ob du auch irgendwo unter „Gruppenzwang“ stehst, wo Anpassung erwünscht oder gar gefordert wird. Das kann auch die liebe Familie sein.

Weil du irgendwann mal „A“ gesagt hast… und du jetzt glaubst, es bis zum Ende aushalten bzw. durchziehen zu müssen.

 

Klar ist die oben beschriebene Begebenheit eine Pille-Palle-Situation, aus der man ja leicht aussteigen könnte; man könnte sich erklären, es mit der anstrengenden Fahrt tagsüber begründen und die Konsequenzen hielten sich wahrscheinlich in Grenzen. Doch sie ist eine super Beispielsituation, in der alles steckt, was es für die Entstehung von Panikattacken braucht.

 

 

Denn es sieht ja schon ganz anders aus, wenn eine gefühlte Ausweglosigkeit besteht, wenn

  • du in einer Beziehung verharrst (obwohl sie dir nicht mehr guttut), weil du emotional oder finanziell abhängig bist oder weil Kinder da sind
  • dir eine Familie gewünscht hattest, aber irgendwann feststellst, dass DIE PERFEKTE BILDERBUCHFAMILIE bei dir nicht funktioniert
  • du bemerkst, dass Eheleben und Mutterrolle dich total langweilen
  • dir auffällt, dass der/die vermeintliche Traummann/-frau kurz nach der Traumhochzeit unglaublich herausfordernde Eigenschaften zeigt, die dich lieber flüchten lassen möchten
  • in einem Job bleibst, obwohl er dich nicht erfüllt, weil die Hypothek für dein vermeintliches Traumhaus bezahlt werden muss
  • bei den schon etwas betagten Eltern/Schwiegereltern mit im Haus wohnst und du dich ständig an deren Bedürfnissen und Gepflogenheiten anpassen musst

 

Wie sollst du aus diesen Beispiel-Situationen wieder herauskommen?

Wo ist hier der NOTAUSGANG?

 

 

 

 

Es gibt Situationen im Leben, die keinen Notausgang haben, wo du dich klammheimlich vom Acker machen kannst, ohne eine große Welle zu machen – sondern die ENTSCHEIDUNGEN FORDERN.

Die du dich aber fürchtest zu treffen, da du die Konsequenzen nicht abschätzen kannst.

 

Du fragst dich: Werde ich jemanden tief enttäuschen oder dauerhaft schaden oder werde ich mir mit der Entscheidung gar ins eigene Fleisch schneiden?

 

 

Wenn du dich um diese Entscheidungen dauerhaft drückst, entsteht ein unglaublicher Druck, der so dermaßen stresst, dass er sich irgendwann entladen muss und zwar nach außen bspw. durch eine Panikattacke, sonst würdest du ja implodieren.

 

 

Welche Zutaten braucht es also, um die Bombe PANIKATTACKE zu bauen?

Ich fasse nochmal zusammen, welche Faktoren mitbeteiligt waren, um den inneren Stress so hochzuschaukeln, dass Angst und Panik erzeugt werden könnten:

 

  • Ich war vom Tag genervt und gestresst und an meinem Limit (körperlich und mental)
  • Ich war bedürftig und hatte eine (kindliche) Erwartungshaltung an den Abend und das Wiedersehen
  • Ich realisierte in der Situation, dass ich nicht das bekommen würde, was ich mir eigentlich wünschte und brauchte
  • Ich zwang mich selbst, „B“ zu sagen, weil ich schon „A“ gesagt hatte
  • Ich fürchtete mich vor Ablehnung von der Freundin und den anderen
  • Ich glaubte, einem bestimmten Bild entsprechen zu müssen
  • Ich war überzeugt, dass ich das jetzt durchziehen müsste, um nicht blöd und uncool dazustehen

 

Die Lösung: Neue Gedanken denken!

 

  • Selbstermächtigung statt Ohnmacht: „Ich habe die Vollmacht, jederzeit aus dieser Situation auszusteigen“
  • Selbstliebe und Selbstfürsorge: „Ich habe die Mittel und die Werkzeuge (Geld + Telefon), mich selbst aus dieser Zwickmühle herauszubringen“
  • Entscheidungen treffen: „Ich entscheide mich erstmal für das Konzert. Sollte es mir dort nicht gefallen, entscheide ich mich neu und gehe gegebenenfalls wieder.“
  • Konsequenzen in Betracht ziehen und souverän tragen (meist kommt’s doch nicht so schlimm wie vorher gedacht): „Es tut mir leid, es geht heute nicht“

 

 

 

Alles Liebe,

deine Simone

 

Raus aus dem toxischen Sumpf aus Angst und Panik

                                rein in den Flow!

 

 

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